Wenn Mama stirbt

Wenn ein Elternteil lebensverkürzend erkrankt, kommen sie zum Lachen und Weinen, zum Erzählen und gemeinsam Schweigen. Sie kommen, wenn Eltern und Kinder eine Pause brauchen, einen Raum für sich: die Familienpflegerinnen der Caritas in Ibbenbüren.
Auf ihren Einsatz vorbereitet wurden sie im Rahmen des Projektes "nena - nicht einsam, nicht allein" des Diözesancaritasverbandes Münster.

IBBENBÜREN. "Warum hat Mama keine Haare mehr? Warum muss Mama so viel schlafen?" Für die Beantwortung dieser oder ähnlicher Fragen nimmt sich Familienpflegerin Bärbel Hövel-Wiewel viel Zeit. "Wir können an der Situation des erkrankten Elternteils nichts ändern. Aber wir können helfen, die Kinder aufzufangen", sagt die 57-Jährige. Rüstzeug für die Einsätze in Familien mit sterbenskranken Eltern hat sie durch die neun nena-Schulungen des Diözesancaritasverbands bekommen. Dort hat sie gelernt, wie man Gespräche mit traumatisierten Kindern führt, welchen Einfluss eine unheilbare Erkrankung auf das Familiensystem hat und wie Kinder trauern.  

"Ich fahre in die Familie, damit die Eltern auch einmal Zeit für sich haben, und die Kinder etwas Schönes erleben können", sagt Hövel-Wiewel. Kuchen backen, basteln oder spielen steht dann auf dem Programm. Aktivitäten, bei denen man miteinander reden oder schweigen kann. Besonders wichtig ist der gelernten Familienpflegerin, dass die Kinder auch traurig sein und weinen dürfen. "Ich bin für die Kinder da. Ihnen zu helfen, ist meine Motivation", sagt sie.  

"Den Job kann man nur mit Herzblut machen", pflichtet ihr Kollegin Reinhild Uphaus bei. Leidenschaft und Empathie für die Menschen, direkt helfen und manche Ängste nehmen zu können, treibt die 58-Jährige an. "Durch die finanzielle Unterstützung des nena-Projektes können wir auch noch da sein, wenn ein Elternteil verstorben ist", sagt Familienpflegerin Uphaus. Denn diese Kosten übernehmen die Krankenkassen nicht.  

Im Team der Caritas Ibbenbüren arbeiten neun Familienpflegerinnen in Teilzeit. Sie sind für die Kinder lebensverkürzend erkrankter Eltern da und für alle Familien in Ausnahmesituationen - beispielsweise, wenn ein Elternteil erkrankt oder länger im Krankenhaus oder in einer Rehamaßnahme ist. Kostenträger der Einsätze sind Krankenkassen, Rentenversicherungen, das Jugendamt, Berufsgenossenschaften oder notfalls das nena-Projekt.

"Letztes Jahr haben wir 56 Familien unterstützt", sagt die Einsatzleiterin der Familienpflege Silvia Otten. Plus drei nena-Einsätze. Absagen musste Otten 46 Anfragen, weil keine Personalkapazitäten mehr frei waren. Deshalb ist es ihr wichtig, für den sinnstiftenden Beruf der Familienpflegerin und die Caritas als Arbeitgeberin zu werben.

Da es die klassische Großfamilie als funktionierendes Hilfssystem kaum mehr gibt, seien die Familienpflege und das Projekt nena wichtiger denn je, unterstreicht die Einsatzleiterin. Viele wüssten jedoch gar nicht, dass es einen Anspruch auf diese Unterstützung gibt. Deshalb fordert Otten einen niederschwelligen Zugang: "Sobald eine versicherte Person erkrankt und Kinder unter 14 Jahren zu versorgen oder betreuen sind, sollte sie automatisch über die Möglichkeit zur Unterstützung durch die Familienpflege informiert werden."

Alle Informationen für Familien, die Hilfe brauchen, gibt es unter: www.caritas-ibbenbueren.de/beratungsdienste/familienpflege. Silvia Otten ist telefonisch zu erreichen unter: 05451 500245 oder per Mail an familienpflege@caritas-ibbenbueren.de.  


Von Recke bis Recklinghausen, von Emmerich bis Lengerich - die Caritas im Bistum Münster ist für Menschen in Notsituationen da. Ob Jung oder Alt, Alleinstehend oder Großfamilie, mit Behinderung oder Migrationshintergrund, körperlicher oder psychischer Erkrankung. Unter dem Motto "Not sehen und handeln" sind 80.000 hauptamtliche Mitarbeitende und 30.000 Ehrenamtliche rund um die Uhr im Einsatz. Für die Hilfe vor Ort sorgen 25 örtliche Caritasverbände, 18 Fachverbände des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) und 3 des SKM - Katholischer Verein für Soziale Dienste. Hinzu kommen unter anderem 57 Kliniken, rund 150 Einrichtungen der Behindertenhilfe, 205 Altenheime, 105 ambulante Dienste, 115 Tagespflegen und 22 stationäre Einrichtungen der Erziehungshilfe.

Bildunterschrift:  
Silvia Otten, Einsatzleiterin der Familienpflege bei der Caritas in Ibbenbüren, Familienpflegerin Bärbel Hövel-Wiewel, Teresa Henkemeier vom Projekt nena zur Begleitung von Kindern schwerkranker Eltern und Familienpflegerin Reinhild Uphaus (v.l.). Auf dem Foto fehlen die Familienpflegerinnen Bernadette Schöttmer und Birgit Barkmann, die ebenfalls im nena-Projekt arbeiten. Foto: Carolin Kronenburg / Caritas im Bistum Münster